Trash ist High Tech. Trash ist Digital-Käse. Nicht etwa der analoge Scheiblettenkäse in der zarten Plastikhülle mit roter Markierung an der Kante zum Öffnen und der ultraglänzenden Oberfäche auf der man seine Fingerabdrücke hinterlässt.
Nicht das Erzeugnis, welches wir auf Tiefkühlpizzen finden und dem nachgewiesen wurde, dass beinahe nichts an ihm etwas mit dem eigentlichen Prozess der Käseherstellung zu tun hat. Nein, nicht Trash als ehemaliger High Tech. Nicht im Sinne von Video statt Film. Und auch nicht das, was sie übermorgen bei der NASA benutzen. Trash ist Digital-Käse! Hierin liegt die Authentizität des Trash. Damit wäre das Wildschwein bei dieser Essaywettbewerbjagd erlegt.
Offenkundig wissen wir nicht recht, worum es eigentlich geht, wenn irgendwo die Rede von Trash ist. Uns scheinen irgendwie die Kategorien zu entgleiten und das nicht nur beim Käse. Ist „Trash“ zu einer bloßen Hülse verkommen, spielen wir mit leeren Worten? Oder stellt sich die Frage, was heute noch das Anerkannte ist und wo ergo die Absage daran. Aber was macht man nun, wenn man dem Phänomen seine vermeintliche Motivation nicht ins Gesicht schreiben will? Wie kann man mit dem gebotenen Abstand zur Wissenschaft der Wissenschaftlichkeit etwas näher kommen? Vielleicht mit Hilfe von Missverständnissen und unabgeschlossenen Aufsprengungen.
Da steht noch einer draußen
CC: Ein erster Anhaltspunkt wäre trotz der einführenden Einsicht: Trash läuft über Ausschluss. Hat die Absage an das Anerkannte dringend nötig. Steckt in der Antischleife. Man muss sich entscheiden. Möchte man ZDF-Melodramen mögen, oder nicht? Und wenn nicht, soll man erstmal das Gegenteil beweisen. Wir haben es offensichtlich mit postinfantilen Strukturen zu tun. Jedenfalls, frag ich mich (mit der Pistole auf der Brust): besser dazugehören und die eigenen restbürgerlichen Facetten veruntreuen oder eben nicht und damit als spießig gefestigtes Elend hinter den eigenen Zaunspitzen zurückbleiben. Soviel als Vorbedingung. Geht man einen Schritt weiter, stellt man schnell fest, dass Trash in unserer – Was haben wir gerade? – ehemals postmodernen Zeit die Orientierung abhanden kommt. Deshalb muss er sich quasi selbst avancieren durch eine strenge Fremdenpolitik. Meint Ihr, jeder kann mitmachen, und Trash ist immun gegen Verschleiß? Wo Trash doch sofort in die Ebene der Relevanz und also Bedrohtheit befördert wird, allein durch die Aufmerksamkeit einer Bezeichnung. Der Anlass ist da und die Schießhunde passen auf.
SVE: Die Bemerkung in Richtung der vielleicht noch nicht überwundenen und scheinbar wichtigen Restkindlichkeit rückt das Phänomen hin zu der Frage der Rezipienten. Die Einordnung eines Objektes als Trash entsteht durch Konsensbildung in einem speziellen vielleicht jungen, hippen oder urbanen Milieu. Mag der Grund dafür im guten gegenseitigen Verständnis von Offenheit und Jugend liegen. Der Ausdruck der eigenen Identität koppelt sich an Bewertungen. Eine Ausdifferenzierung der eigenen Meinung wird durch einen gewissen Bildungshintergrund befördert. Vermeintliches Kunstverständnis trägt vermeintliches Selbstbewusstsein als Bedingung. Die angesprochenen Gruppen verfügen – nicht immer aber vermehrt – über die geistigen Horizonte und sind aufgrund von meist selbstbestimmten, flexiblen oder auch randprekären Lebensstilen für solche Auseinandersetzung prädestiniert. Man kann in der Benennung von Trash also einem ‚von unten’ einsetzenden Prozess sehen, während der Mainstream (oder auch der Kanon der Hochkultur) aus Stimmen von ausgemachten Institutionen und Printmedien geformt wird.
CC: Ich stell mir bei Mainstream immer so Eiscreme aus dem Softeisautomaten vor.
SVE: Produktion und Rezeption sind natürlich Teilprozesse, welche fixieren und einordnen. Der Mainstream ist dabei weniger Ziel oder Nichtziel, er ist das mögliche Resultat. Das lässt sich vielleicht am Leben des Künstlers Dash Snow skizzieren: Er lebte seit seiner frühen Jugend auf der Straße. Seine Polaroids aus diesem Umfeld, überbordend vor Sex, Gewalt und Absturz, erlangten im letzten Jahrzehnt investitionsrelevante Beachtung in der zeitgenössischen Kunstszene. Der frühe Tod durch eine Überdosis Heroin trug sein Übriges zur Konstruktion einer kulturwirksamen Geschichte bei: Dash Snow, vom ‚Untergrund-Wichser’ zum Mythos. Dennoch oder entsprechend ist die Bezeichnung Trash durchaus positiv besetzt. Man verwendet sie zwar um sich vom Objekt zu distanzieren, drückt aber doch Sympathie dafür aus. Somit ist es gleichzeitig eine Begeisterung und eine Rechtfertigung. Man kann trotz des Konsums, trotz der Anhängerschaft sein ‚Gesicht wahren’ wenn man etwas als Trash kategorisiert. Deswegen kann ich in der Öffentlichkeit schamfrei Lieder von The Similou oder Passion Pit hören. Weil ich sie in einem performativen Akt zum Trash erklärt habe. Mein verkündetes Wissen um die minderwertige musikalische Qualität bewahrt mich vor Verurteilungen. Ob an diesem Punkt so etwas wie das ‚Eigentliche’ in der Beurteilung überhaupt existiert, ist höchstens unwesentlich, solange die Bedeutungslogik stimmig ist.
CB: Ich bin froh, dass wir Trash nicht als die kleine Schwester, den Gegenpol oder die Antithese zur Hochkultur besprechen.
SVE: Stimmt, man sollte Trash nicht als Antonym zum Totschlagbereich Kultur betrachten. Ich sehe ihn, ganz postmodern, als Fragment des Kulturkonstruktes und erachte ihn somit als kulturimmanent.
CB: Und obwohl ein gesundes Misstrauen gegenüber Dualitäten aller Art angebracht ist, deutet sich an, dass Trash vielleicht notwendiger Weise mindestens dual-kontextlich sein muss: einmal der Schaffenskontext, dann der Umdeutungskontext, welche auch zusammenfallen können. An einem bestimmten Punkt, in einer bestimmten Situation geschieht die Deutung oder Umdeutung zu Trash, wohl zuerst eine semiotische Umwandlung, später eventuell eine damit verbundene kulturelle und ökonomische Umwertung. Ein Ereignis wird beobachtet, ein Exponat entsteht, eine Praktik wird geprobt. Aus einem Beziehungsgeflecht gehen sie in ihrer kognitiven Vereinzelung als Trash hervor. Für mich bedeuten diese Beobachtungen gar nicht so sehr hinter dem „authentischen Wildschwein“ her zu jagen, sondern viel mehr wissen zu wollen, was es scheinbar so wild macht. Dann geht es um die Gedankenwelt des Wildschweins, nicht um sein borstiges (zum Rosa tendierendes) Fell. Ist der Spaß den man empfindet, wenn man etwas als Trash hervorhebt nicht eigentlich der Wunsch, als letztmöglicher Identität stiftender Akt noch die eine unübersteigbare Ordnung in ein System einzubringen, welches sich als „verrückt“ und „tolerant“ tot definiert hat? Daher vielleicht die Begeisterung über die Begeisterung, welche von trashigen Dingen oder Situationen ausgeht. Oder wir begeistern uns an der Möglichkeit Inkonsistenz in Meinung, Handlung und Bewertung zuzulassen. Dafür ist uns augenscheinlich eine gewisse Anfälligkeit mit in die moderne Wiege gelegt worden.
CC: Stimmt, auch, weil buchstäblich ein Anderer die Drecksarbeit macht, mit der man dann hausieren kann. In Anbetracht der Mutmaßung, dass eine Künstlerexistenz per se Drecksarbeit sei, wird auch verständlich, warum man besonders dieser Gilde die dem Trash nahe stehende subversive Intelligenz sowie die nötige Vorstellungs- und Konsenskraft zutraut.
BM: Einerseits schafft aber bereits die Bezeichnung gewisse künstlerische Freiräume, die innovativ und progressiv gebraucht werden können weil eine Loslösung oder Relativierung von kulturellen Normen stattgefunden hat. Sie lässt politische Inkorrektheiten oder eben beneidenswerte Inkonsistenzen zu. Aber wann und wo entstehen solche Freiräume? Das ist eigentlich der Punkt, an dem es spannend wird: das Wesen der Ausformung von Freiräumen. Unabhängig davon, welche Füllungen oder Inhalte sich dort einsetzen. In welche (psychologischen) Gewebe wird hier ein Loch gerissen? Andererseits besteht selbstverständlich auch die Gefahr, dass die Benennung „Trash“ als solche den Raum schließt, der sich hätte zur Möglichkeit öffnen können.
SVE: Man denkt schnell an Befreiungen von Ordnungen wie Moral oder Rationalismus. Aber ich würde auch behaupten, dass nichttrashige Kunst ebenfalls nach diesen sucht. Vielleicht ist der Unterschied vielmehr methodischer Natur. Während die Kunst versucht, diese Ordnungen noch zu verhandeln, zu kommunizieren, diplomatisch zu sein, tritt Trash eher introvertiert, vermittlungsfaul und schroff in Erscheinung. Vielleicht findet sein Handwerk an einer kleineren Basis statt und sucht nicht die große Idee, sondern orientiert sich an lokalen Wahrheiten.
Hat er sich selbst vergessen
CB: Wie bereits angedeutet wurde, lassen sich Dinge oder Objekte heute nur schwerlich als aus dem Rahmen fallend kategorisieren. Weil der Rahmen verschwunden ist. Mit Verhaltensweisen und Handlungsmustern, deren Angemessenheit ausbleibt, ist dies noch auf einer direkteren Weise möglich. Trash ist dann nicht Stil, sondern Aktion, kommt affektiv daher, leuchtet auf als unbedachter zufälliger Funke der Vergessenheit und muss motivationslos sein bzw. darf seine Motivation nicht aus der erhofften trashigen Wirkung heraus schöpfen. Emphatisch ist das Nachdenken über Trash (wie wir sehen), nicht seine Produktion oder sein Entstehen. Trash ist situativ und damit Charakter! Die Frage nach dem Dazugehören oder nicht finde ich insofern zu überlegt. Wer über Trash spricht ist nicht Trash und empfindet sich höchstens als exponiert in dessen Wirkungsbereich. Ich werde das Gefühl nicht los, dass das eine ganz subjektbezogene Geschichte wird. Wir können uns weder als Ursache noch als ‚existenziell betroffen’ wahrnehmen. Damit entheben wir, werden leicht und parallel verlieren wir die Bodenhaftung und fühlen uns ausgesetzt. Ein Engländer geht mit seiner Bulldogge „i lost my beer in the street“ lallend vorbei an unserem Tisch, bleibt stehen und starrt auf unsere Bierflaschen. Ich mache deutlich, dass sie noch voll sind, weil ich denke er will das Pfand. Er unterbricht mich und fragt, ob er eins trinken kann. Ich sage „take it“, er tut das und torkelt weiter bis zum Blumenladen wo er sich quer auf den Bürgersteig legt und die Jugendlichen, die gerade auf dem Weg zu einer „Bad-Taste-Party“ sind, über ihn steigen müssen. Fuck bad taste, that’s Trash baby.
CC: Dann wäre Trash nicht nur auf seine Expressivität zu reduzieren und also nicht intentional. Aber der Appell, Trash sei nicht planbar, ist ein bisschen wie an nichts denken wollen. Ist das nicht zu romantisch?
CB: Trash könnte man als Mut verstehen, der sich selbst nicht sieht. Insofern hast du Recht. Aber eben nur zum Teil, denn vielleicht haben wir es mit naiven, einfältigen oder gar böswilligen Intentionen zu tun deren ‚Mut’ auf einem anderen Terrain als deren Handlung sichtbar wird. Die Realität steht uns hier zur Seite und konstruiert ein stilsicher pointiertes Beispiel dafür, dass Trash auch als Ereignis funktioniert. Dienstwagen-Affäre Ulla Schmidt: Ihr Wagen wird im Ausland gestohlen. Die Unterredungen der Diebe werden durch die eingebauten Mikrofone dokumentiert (und online veröffentlicht). Diese ‚Auftritte’ sind ein Bravourstück der Trashästhetik: das Auto wird (nachweislich) willkürlich gestohlen, einer Kulturgemeinschaft wird aufgezeigt wie weltfremd und zugleich beneidenswert ihr Verständnis von Werten ist und die Akteure bekommen von alledem nichts mit! Die gewitzten Männer allerdings werden sich an keiner Stelle irgendwie trashig vorgekommen sein. Sie sorgten sich um ihr Dasein und taten was sie als Möglichkeit sahen, dieses zu gestalten.
CC: Würde es verfehlen, was du meinst, wenn ich sage, Trash sei ein Fehler im positiven Sinne? Trash als sich selbst unwissendens Geschehnis, das trotzdem oder daher die Fähigkeit großer Treffsicherheit hat. Wobei „Fehler“ eine verfehlte Planung implizieren würde, die ja eben in diesem Verständnis gar nicht vorkommt. Ich kann mir zwar ausmalen (und ich wünsche es mir), dass alles nicht kalkuliert ist, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Trash ohne irgendeine Form des Nichtklarkommens mit dem Mainstreamsollzustand stattfindet, wenn auch unbewusst. Man könnte das trashige dann entweder als kritische Auseinandersetzung (als Bereich der zeitgenössischen Kunst) – wie oben bereits angedacht – oder als Abgrenzungswunsch (im modischen Sinne) sehen und würde die Frage der Intentionalität vorerst gegriffen und verstaut haben. Vielleicht ist da tatsächlich nicht so viel zu holen.
Ist das jetzt schon kaputt
CB: Wir wollen eine kurz-knackig-kompromisslose Definition von Trash? Also: Wenn etwas gebraucht und/oder zerstört, beschädigt wurde ist es Trash. Dabei müssen Zerstörung und Beschädigung nicht materieller Art sein. Wohin führt uns aber dann die Erkenntnis, dass man wohl nichts tun kann, ohne etwas zu gebrauchen… Eine These: Das System Trash ist die Essenz der zeitgenössischen Kunst. Denn „[…] so viel Verunstaltung und gleichzeitig so viel »Um-Gestaltung«. Aus dem obsessiven Experiment, die Macht traditionellen Bildermachens zu umgehen, ist eine fabelhafte Quelle neuer Bilder, neuer Medien, neuer Kunstwerke geworden: neue Anordnungen, um die neuen Möglichkeiten des Sehens zu vervielfachen. Je mehr die Kunst zu einem Synonym für die Zerstörung von Kunst geworden ist, desto mehr Kunst wurde produziert, bewertet, besprochen, gekauft und verkauft, ja auch, verehrt.“ (Bruno Latour)
CC: Wenn das so ist, dann haben wir es mit einer ziemlich schizophrenen aber bemerkenswerten Form der Zerstörung zu tun. Der „delete“-Betreff in deiner letzten Mail war dann sehr treffend. Denn die Zerstörung war nur die Pose, eigentlich ist das Ergebnis doch aber immer noch referentiell. Den Emailinhalt hast du beibehalten! Löschen ist das nicht, das ist eher ein Aneignen, ein Verfremden, Entzwecken, Benutzen, aber kein Verbrauchen, kein Aufbrauchen. Abfall ist ja gerade das, was nicht zerstörbar ist. Das Leidliche. Abfall bleibt übrig beim Produzieren, Gebrauchen oder Zerstören von etwas. Die Zerstörung von Kunst oder in der Kunst ist keine Zerstörung im Sinne von Löschen, denn das zu Zerstörende bleibt kenntlich um die Zerstörung als solche zu markieren. Was man nicht gebrauchen kann (die „Macht des traditionellen Bildermachens“) gebraucht man, verbraucht man im Rekurs auf dieses. Aber ist es dann zerstört, und inwiefern? Ist der Wert, die Funktion, die Aura zerstört? Ist es schlicht in seiner einstigen Integrität reduziert und deshalb schon zerstört? Wenn man in einer der möglichen Praktiken etwas aufnimmt (weil einem ja Nixneues mehr einfällt), könnte der Akt des Gebrauchens ein abfälliger sein. Das Gebrauchte fällt zum Unbrauchbaren ab. Trash produzieren ist die Produktion von Abfall zum Selbstzweck. Nicht der unbrauchbare Überschuss bei der Produktion von etwas Eigentlichem. Trashproduktion ist die unmittelbare Produktion des Unbrauchbaren, ohne dass dabei auch etwas Brauchbares entsteht. Sloterdijk umschreibt ein Phänomen: „man ist auf sich selbst gestoßen und kann sich nicht brauchen“. So scheint mehr als wir einsehen können oder eingestehen wollen (Beziehungen, Überzeugungen) nach einer Logik des Verwendens und Verbrauchens zu funktionieren.
AG: Für Wittgenstein ist das Entscheidende bei der ästhetischen Erfahrung die Reaktion; beispielsweise Abscheu oder Unbehagen. Womöglich gilt dies tatsächlich auch für Trash.
CB: Für mich ist Trash gerade auch das Leichte, das bemerkenswert aber nicht wirklich Verstörende? Aber die Reaktion, wie unabsehbar!
CC: Mit Abscheu und Unbehagen sehe ich mich reagieren auf Videos von Leslie and the LYs. Verzückt, nostalgisch schwelgend, Zuneigung und uneingeschränkt Sympathie empfindend hingegen angesichts der so harmlosen Produktion von Ed Wood, dem „schlechtesten Regisseur aller Zeiten“. Seine Filme nimmt man als Versehen, ihn selbst als puren Optimisten wahr. Sein Misserfolg lässt ihn nicht im Geringsten an seinen filmischen Fähigkeiten zweifeln. Stell dir den vor, der diese Ufos gedreht hat! Zum Trash erklären wir eben auch Dinge, denen wir keine relevante Wahrheit oder Erkenntnis unterstellen und die wir deswegen keiner intensiven Prüfung oder Auseinandersetzung unterziehen.
War da grad was
CB: Das Wort „markieren“, dass du im Zusammenhang mit Zerstörung verwendest macht deutlich, dass Trash immer ein Hinweis auf etwas Drittes ist. Sei es auf einen anderen Kontext, auf eine Intention, auf einen Zufall, was immer. Demzufolge könnte man Trash als Scharnier bezeichnen. Dann spricht man von einer Vermittlungspraktik, die über sich selbst hinaus deutet. Ob diese intentional oder unmotiviert entsteht, ist gar nicht so entscheidend. Das überflüssige Material, der Störfaktor, der sich ins Feld drängt, richtungslos rumnervt („und alle so: yeah!“) fungiert in seiner Unintegrierbarkeit als Verweis. Er produziert bloße, gegenstandslose Aufmerksamkeit. Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie thematisiert gesellschaftliche Gruppen und Tendenzen, die sich außerhalb des parteipolitischen Rahmens organisieren. Entsprechend werden bei Lesungen APO-Buttons (Außerparlamentarische Opposition) verteilt. Bei der direkten Übertragung auf die besprochenen Inhalte, könnte man über ‚Außerkulturelle Oppositionen’ (AKO) phantasieren und in ihnen eine Option sehen, der Vogelscheuche Systemimmanenz ein Schnäppchen zu schlagen. Auch wenn das begrifflich so wenig funktioniert wie der Merkel-Flashmob das politische System verändert, so sind es doch Möglichkeiten Dinge sichtbar zu machen, zu markieren. Und natürlich kann dies asozial, wenig diskursiv oder inhaltsleer wirken.
CC: Eine Konstellation wird sichtbar, die grundsätzlich Bedeutung zuweist, im gleichen Moment aber das ‚An-Sich’ des Geschehens abhanden kommen lässt. Es bleibt die Konfrontation mit etwas, das sich Platz verschafft hat, ohne ihn zu nutzen. Trash verweist auf diese Einnahme, die eigentlich nur jede gewohnte Richtung versperrt.
_____
Beitrag zum Essaywettbewerb „Trash/Culture“ der HU Berlin, 4. Platz
Christian Berkes (Stadtforschung – Berlin)
Caroline Creutzburg (Angewandte Theaterwissenschaften – Gießen)
Susanne van Eikels (Anglistik – Kassel)
Antje Goebel (Kunstwissenschaften – Kassel)
Benjamin Mertens (Schüler – Bielefeld)
01. November 2009